Entstanden aus Jugendferienlagern
Gute, ja freundschaftliche Beziehungen zwischen Nachbarländern sind eine wichtige Angelegenheit. Und das gilt nicht nur auf der staatlichen Ebene, sondern vor allem im gesellschaftlichen, aber auch im privaten Bereich. Das zeigt gerade die Situation Deutschland-Polen. Selbst in der Zeit der aufgrund der politischen Situation in Polen problematischen deutsch-polnischen Kontakte spielten Städtepartnerschaften, partnerschaftliche Kontakte von Vereinen, Initiativen, Firmen, aber vor allem auch private Kontakte eine wichtige Rolle.
Für einen solchen privaten Kontakt steht beispielsweise der Berliner Arno Kiehl. Ausgehend von Kontakten im Kinderferienlager im Jahr 1974 pflegt er seither enge freundschaftliche Beziehungen zu einer Familie in Kraków. Der heute 90jährige Berliner, der seit seines Lebens im Stadtteil Weißensee zu Hause war, kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Nach seiner Lehre als Maschinenschlosser wechselte er zur Reichsbahn, stieg dort beim betriebseigenen Kabarett „Die Knallkapseln“ ein. Später besuchte er die Rundfunkschule in Berlin-Grünau um von dort als Journalist beim DDR-Fernsehen zu starten. Doch leider kam er dort nicht in den Unterhaltungsbereich, sondern in die Nachrichtensendung „Aktuelle Kamera“. Ein Streit mit Kommentator Karl-Eduard von Schnitzlern brachte für ihn das Fass zum Überlaufen – er verließ das Fernsehen und wechselte in seine ursprüngliche Branche. Beim Polytechnischen Zentrum des Kabelwerks Oberspree, einem ursprünglich von AEG-Grüner Emil Rathenau ins Leben gerufenen Unternehmens, war Kiehl ab 1961 als Lehrmeister tätig. Doch auch seine satirische Ader wollte Kiehl weiterpflegen, in dem er nebenbei im Haus der jungen Talente beim Kabarett „Die Reizzwecken“ spielte, das sich vom Jugend- und Nachwuchsstudio des Ost-Berliner Kabaretts Die Distel abgespalten hatte.
In dieser Zeit der 1970er Jahre wurde die Grenze der DDR zur VR Polen geöffnet. Arno Kiehl nutzte eine Reise zu Verwandten in Oberschlesien um auch einen Besuch im KZ Auschwitz zu machen. Der 1948 erschienene polnische Film „Die letzte Etappe“, der erste Spielfilm der Filmgeschichte, welcher das Leben im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zum Thema hatte, sensibilisierte Kiehl dafür. Kiehl erinnert sich, dass er in der Gedenkstätte seine Besucherkarte in englischer Sprache erstand, da er sich nicht getraute, hier deutsch zu sprechen. Der Besuch prägte ihn bis heute.
Etwas später wurde er im Betrieb angefragt, ob er eine Gruppe Kinder der Werksangehörigen des KWO im Rahmen eines Ferienlager-Austausches mit dem Partnerbetrieb KFK Kraków ins polnische Kinderferienlager in Roków (Gemeinde Wadowice, dem Geburtsort des späteren polnischen Papstes) begleite. 1974 war der erste Ferienlagerbesuch, den Kiehl begleitete. Doch in den nächsten Jahren, so Kiehl, war er wohl 13 Mal mit einer Gruppe bei dem Austausch in Polen.
Die polnische Lagerleiterin fragte ihn eines Tages, ob er wohl bereit sei, die etwa 14-15 Jahre alten deutschen Mädchen und Jungen gemeinsam mit den polnischen Jugendlichen zu einem Besuch in das nicht weit entfernte KZ Auschwitz zu begleiten. Kiehl erinnert sich noch heute an eine Begebenheit bei diesem Besuch, als ein polnischer Jugendlicher ihm Geld, das seine Gruppe gesammelt hatte, übergab, um Blumen zu kaufen um sie in der Gedenkstätte niederzulegen.
Über andere Erfahrungen bei diesen Jugendaustausch-projekten hatte Arno Kiehl selbst bereits in Ausgabe 3/2004 unserer Zeitschrift „POLEN und wir“ berichtet.
Was für Arno Kiehl jedoch bis heute wichtig ist: Der Kontakt zu Maria Sikora und ihrer Tochter Kasia in Kraków. Kiehl hatte Maria bei seinem ersten Ferienlagerbesuch kennengelernt. Längst ist das eine enge Freundschaft geworden die nunmehr 50 Jahre besteht. Und immer wieder hat er seine Freunde in Kraków besucht. „Also Kraków ist meine zweite Heimat geworden“ schwärmt Kiehl für die Stadt und besonders ihre schönen Cafes.